Jan Korte von der Linksfraktion über das KPD-Verbot, Entschädigungsfragen und Antikommunismus
Jan Korte, Jahrgang 1977, ist Bundestagsabgeordneter der Linksfraktion und Mitglied im PDS-Parteivorstand. Der Politikwissenschaftler und Historiker aus Hannover hat sein Studium mit einer Arbeit über den bundesdeutschen Antikommunismus abgeschlossen und setzt sich für eine Aufhebung des KPD-Verbots und die Rehabilitierung der Verbots-Opfer ein. Mit ihm sprach Tom Strohschneider.ND: Die Linksfraktion setzt sich für die Aufhebung des KPD-Verbots ein. Zuletzt wurde auf einer Bundestagsanhörung über die Folgen diskutiert. Wie sind heute die Chancen, das Verbot zu kippen?
Korte: Große Chancen haben wir natürlich nicht. Es ging mir bei den Vorbereitungen der Anhörung vor allem darum, für das Thema wieder ein öffentliches Bewusstsein zu schaffen, also dafür, dass es in der Bundesrepublik politische Justiz gegeben hat. Es ist ein Skandal, dass ehemaligen Nazirichter in den 50er Jahren erneut in Amt und Würden kamen und dann schon wieder über Kommunisten gerichtet haben. Abgesehen davon, will die Linksfraktion auch ganz konkret etwas für die Betroffenen tun. Wir wollen erreichen, dass das Bundesentschädigungsgesetz geändert wird, um Menschen zu helfen, die im Zuge der Kommunistenverfolgung ihre Renten- und Wiedergutmachungsansprüche als Opfer des NS-Terrors verloren haben. Einige von ihnen leben noch.
Die KPD wurde vor 50 Jahren verboten. Welche Rolle spielt Antikommunismus heute noch?
Es gibt nach wie vor einen Antikommunismus der Herrschenden. Dieser hat heute aber vor allem geschichtspolitische Funktionen, etwa wenn das DDR-System als kommunistisch bezeichnet und mit dem ebenfalls als totalitär qualifizierten NS-System gleichgesetzt wird. Es gab in den 50er Jahren in bürgerlich-liberalen Kreisen Gegenpositionen zum Antikommunismus, etwa durch Martin Niemöller, Eugen Kogon und Walter Dirks. Schon deren ablehnende Haltung zum Antikommunismus war Resultat ihrer Kritik an der restaurativen Vergangenheitspolitik. Der alte Antikommunismus der Lohnabhängigen, die in den 50er Jahren der Parole vom »revolutionären Sturz des Adenauer-Regimes« angesichts der vermeintlichen Segnungen des anziehenden Wirtschaftswunders kaum folgen mochten, existiert heute freilich nicht mehr in dieser Form.
Hat die KPD die Ablehnung durch eine Mehrheit in der Bevölkerung selbst mitverschuldet?
Das würde ich so nicht sagen. Es handelte sich eher um ein Wechselspiel von Repression gegen KPD-Mitglieder, die für Angst sorgte, und einer Verbalradikalisierung der Partei, die angesichts der realen Situation in die Selbstisolation führte.
Mit Antikommunismus wurde in linken Debatten immer viel erklärt, auch die eigene Schwäche und mancher Fehler. Gegen die PDS wurde manche Rote-Socken-Kampagne losgetreten. Welche Rolle spielt so etwas heute noch für das Linksbündnis?
Da hat sich in den letzten Jahren viel verändert. Mit Oskar Lafontaine hat es im Westen der Republik einen Durchbruch gegeben. Plötzlich ist es auch möglich, dass sich Milieus für die neue Linke interessieren, in denen solch eine politische Neigung zuvor noch mit Hinweis auf die alte SED oder den Kommunismus aus dem Osten beinahe tabu war. Das heißt nicht, dass es keinen Antikommunismus mehr gibt. Es wird noch heute gegen Menschen vorgegangen, nachdem ihnen der Stempel »verfassungsfeindlich« aufgedrückt wurde. Das betrifft vor allem jene Linke, die sich eine Zukunft jenseits des Kapitalismus vorstellen können und auch darum kämpfen.
In der Linken wird immer wieder die Forderung nach einem Verbot neonazistischer Parteien laut. Der Kampf gegen das KPD-Verbot wurde stets auch damit begründet, dass das Vorgehen gegen die Kommunisten die Demokratie gefährdet. Ein Widerspruch?
Ich habe da noch keine abschließende Meinung. Aber es ist richtig, dass es auch in der Linken Stimmen gibt, die mit Blick auf das KPD-Verbot und die Folgen gerade auch für die Linke gegen jegliche Parteiverbote sind. Schon in den 50er Jahren wurde der Antrag zum Verbot der rechtsradikalen Sozialistischen Reichspartei SRP auch gestellt, um das Verbot der KPD im Sinne einer antitotalitären Doktrin zu legitimieren. Die Gefahr, dass die Forderung nach einem NPD-Verbot heute auch den Druck auf die politische Linke erhöhen könnte, muss diskutiert werden.
Neues Deutschland, 17. August 2006