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Die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland muss verteidigt werden!

Rede von Nicole Gohlke,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele Menschen schauen schockiert auf die USA, weil dort ein Feldzug gegen die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit geführt wird; das wurde hier ja auch immer wieder von den demokratischen Fraktionen benannt und kritisiert. Donald Trump kürzt ganzen Forschungsfeldern wie der Klimaforschung oder den kritischen Wissenschaften die Mittel. Er erpresst Universitäten mit dem Entzug von staatlichen Fördermitteln oder zwingt sie, Initiativen für Diversität und Inklusion zu beenden. Auch unter dem Vorwand des vermeintlichen Kampfes gegen Antisemitismus werden Universitäten dort unter Druck gesetzt. Die Universität in Berkeley musste gerade die Daten von 160 Studierenden und Lehrenden an die Regierung aushändigen, weil die an palästinasolidarischen Protesten teilgenommen hatten. Es ist kein Wunder, dass die USA beim Academic Freedom Index dramatisch abgestürzt sind und nur noch auf Platz 85 liegen.

Kolleginnen und Kollegen, diese gefährliche Entwicklung in den USA muss uns mahnen, uns jetzt mit der Verfasstheit des Wissenschaftssystems in Deutschland zu befassen und jetzt die Weichen zu stellen, wie es resilienter werden kann gegen autoritäre und antidemokratische Übernahmeversuche von rechts.

(Beifall bei der Linken)

Vor allem dort, wo extrem rechte Regierungen oder Autokraten herrschen, findet ein Kampf gegen die Wissenschaftsfreiheit statt. Aber auch in demokratisch regierten Ländern gerät die Wissenschaftsfreiheit unter Druck. Die Wahrheit ist: Der neueste Academic Freedom Index bescheinigt auch Deutschland einen ersten Einbruch bei der Wissenschaftsfreiheit. Dass die Regierungsfraktionen diese Entwicklung herunterspielen oder gar nicht wahrnehmen, ist aus meiner Sicht ein schlechter Vorbote für die Zukunft.

(Florian Müller [CDU/CSU]: Was soll das denn heißen?)

In Deutschland sind es vor allem die Rechtsextremen, die Wissenschaft und wissenschaftliche Erkenntnisse delegitimieren und eine demokratische Zivilgesellschaft verunglimpfen. Aber sie bekommen eben auch ordentliche Unterstützung aus den selbsternannten Mitteparteien.

(Florian Müller [CDU/CSU]: So was als Linke zu sagen, ist schon sehr unverfroren!)

Wir erinnern uns: Die Union hat direkt nach der Bundestagswahl NGOs mit einer Kleinen Anfrage unter Druck gesetzt und gefragt, ob sie vielleicht zu politisch sind, um weiter gefördert zu werden. Erst letzte Woche hat Bildungsministerin Prien angekündigt, zu überprüfen, welche Organisationen ihr zu links oder zu antifaschistisch sind, um noch eine Förderung durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ zu erhalten.

(Ronja Kemmer [CDU/CSU]: Wie von der AfD: Sie reden zum falschen Etat! – Dr. Götz Frömming [AfD]: Kann doch nicht jeder mit Antisemiten kuscheln wie Sie! – Zuruf der Abg. Nicole Höchst [AfD])

Ich sage mal so: Die Fördermittelaffäre der ehemaligen FDP-Wissenschaftsministerin Stark-Watzinger vom Sommer letzten Jahres, die die Union noch lautstark kritisiert hat, hat nach exakt dem gleichen Muster funktioniert. Es ist mehr als gefährlich, dass Schwarz-Rot in diese autoritären Fußstapfen tritt und das auch noch als Verteidigung der Demokratie tarnt.

(Beifall bei der Linken)

Auch in Deutschland wird der Kampf gegen Antisemitismus instrumentalisiert, um eine legitime und notwendige Debatte über die Kriegsverbrechen der israelischen Regierung in Gaza zu unterbinden.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Wollen Sie wieder Flaggen hochhalten jetzt? Peinlich! – Dr. Michael Kaufmann [AfD]: Zur Sache, bitte!)

Dass die Sonderberichterstatterin der UN, Francesca Albanese, an der Freien Universität Berlin spricht, haben der Regierende Bürgermeister der CDU und eine Senatorin der SPD verhindert. Das war ein enorm peinlicher Vorgang.

(Florian Müller [CDU/CSU]: Das war das Verhindern von Hetze!)

Was sind die Folgen von so einer Politik? Bei einer aktuellen Umfrage unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die mit dem Themenkomplex Nahostkonflikt zu tun haben, geben 70 Prozent an, sich bei diesem Thema selbst zu zensieren. Kolleginnen und Kollegen, bei Demokratinnen und Demokraten müssen spätestens hier alle Alarmglocken angehen.

Auf gar keinen Fall. – Diese Angriffe auf die Wissenschaftsfreiheit sind ja auch deswegen so fatal, weil sie auf ein System treffen, bei dem bewusst über Jahrzehnte hinweg prekäre Beschäftigung forciert wurde. Ende 2023 hatten 66 Prozent des hauptberuflichen wissenschaftlichen Personals nur befristete Verträge. Bei den unter 45-Jähringen sind es sogar 90 Prozent.

(Florian Müller [CDU/CSU]: Wer hat denn diese Statistik erhoben?)

In der Gesamtwirtschaft liegt diese Quote bei 7 Prozent. Sie haben ausgerechnet in der Wissenschaft ein System geschaffen, das auf Unsicherheit und Abhängigkeit basiert und es darum auch erpressbar macht.

(Florian Müller [CDU/CSU]: Wer wird denn erpresst?)

Es ist ein fataler Fehler, dass weder der letzte noch der jetzige Haushalt endlich mal Geld in die Hand nimmt, um feste Stellen an den Hochschulen zu schaffen. Das wäre das Gebot der Stunde.

(Beifall bei der Linken)

Aber statt die Finanzen der Hochschulen endlich mal auf eine solide Basis zu stellen,

(Florian Müller [CDU/CSU]: Das ist ja Ländersache!)

schaffen Sie lieber die nächste Abhängigkeit und Einflussnahme und versuchen, wo es nur geht, die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr und die Öffnung für Rüstungsforschung zu erzwingen. Der Bundeskanzler hat den Zivilklauseln den Kampf angesagt.

(Florian Müller [CDU/CSU]: Haben Sie schon mal was von Zeitenwende gehört? Telefonieren Sie mal mit Ihren sowjetischen Freunden!)

In Bayern hat die CSU per Gesetz eine Zusammenarbeit von Hochschulen und Bundeswehr erzwungen. Ich finde, das sind für die ach so freiheitsliebende Union ganz schön viele Vorschriften und Verbote.

(Ronja Kemmer [CDU/CSU]: Nee! Es geht darum, ein Verbot aufzuheben! Das ist genau das Gegenteil davon!)

Ich sage mal so: Sie wollen eine Wissenschaft, deren Völkerrechtler und Holocaustforscher am besten nicht zu dem Ergebnis kommen sollen, dass die israelische Regierung einen Genozid begeht, weil das der von Ihnen formulierten deutschen Staatsräson widerspräche. Sie wollen eine Wissenschaft, die vor allem das erforscht, was auch einen militärisch verwertbaren Nutzen abwirft.

(Florian Müller [CDU/CSU]: Nein, was unserer Sicherheit dient! Das dient der Sicherheit, Frau Kollegin!)

Das ist aber keine Freiheit, sondern das ist Bevormundung. Es ist schlimm, dass man Ihnen das erklären muss.

(Beifall bei der Linken)

Was dieser Haushalt eigentlich leisten müsste, ist erstens eine massive Stärkung der Grundfinanzierung. Wissenschaft ist nicht nur ein Abwehrrecht gegen den Staat, Wissenschaftsfreiheit muss auch ermöglicht werden. Nur eine solide Grundfinanzierung macht die Wissenschaft gegen politischen Druck resilient und beendet die dauernde Projektlotterie.

Es braucht zweitens die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Wir brauchen endlich Dauerstellen für Daueraufgaben. Wer ein System auf Befristung aufbaut, darf sich nicht wundern, wenn der Mut zur Kritik irgendwann auf der Strecke bleibt.

Kolleginnen und Kollegen, indem Sie die Hochschulen unterfinanzieren, die Prekarität verordnen und sich in die Autonomie der Hochschulen einmischen, schwächen Sie nicht nur die Wissenschaft, Sie schärfen die Werkzeuge, die Finanzierungshebel und politischen Vorwände, die eine wirklich autoritäre Regierung eines Tages nutzen wird, um unsere freie Gesellschaft zu demontieren.

Hören Sie auf, ihnen diese Werkzeuge in die Hand zu geben! Stärken Sie die Demokratie, indem Sie die Wissenschaft stärken!

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)