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Jörg Cezanne: Schneller bauen, aber nicht so!

Archiv Linksfraktion - Rede von Jörg Cezanne,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lange Planungs- und Bauzeiten bei Großprojekten sind ein Problem. Ja, sie sind vor allen Dingen deshalb ein Problem, weil wir den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und der öffentlichen Infrastruktur so dringend für die Abwendung des Klimanotstands brauchen.

(Beifall bei der LINKEN – Torsten Herbst [FDP]: Für die Mobilität brauchen wir das!)

Welche Maßnahmen sind dafür notwendig? Ich nenne vier Maßnahmen.

Erstens. Die mit der Planung befassten Ämter und Institutionen in den Kommunen, bei den Ländern und beim Bund müssen personell und finanziell so ausgestattet werden, dass sie ihre Aufgaben auch erfüllen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung ist ein besonders trauriges Beispiel dafür, wie man durch überzogene Vorstellungen von Bürokratieabbau, indem man Stellen kürzt, eine Verwaltung einfach kaputtsanieren kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Insbesondere für die finanziell schwachen Kommunen müssen die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden. Eine Entschuldung dieser Kommunen ist dringend anzustreben.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens. Für die Baufirmen und Ingenieurbüros, die die Planungen umsetzen, muss eine langfristige Investitionsverpflichtung, insbesondere des Bundes, erkennbar sein.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])

Sie müssen wissen: Es lohnt sich, Personal einzustellen und Kapazitäten bereitzuhalten. DGB und BDI haben vor einigen Wochen ein Zehnjahresinvestitionsprogramm über 450 Milliarden Euro zusätzlich vorgeschlagen. Das wäre ein wichtiges Signal.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Viertens. Der Bundesverkehrswegeplan ist bislang nur eine Zusammenstellung von Verkehrsprojekten. Wichtig wäre, daraus eine Netzplanung zu erarbeiten, durch die der Wildwuchs von unverbundenen Planungsvorhaben durch eine zielgerichtete Netzplanung ersetzt wird. In deren Mittelpunkt muss die Verlagerung vom Straßenverkehr auf die umweltschonenden Verkehrsträger stehen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mit den beiden vorliegenden Gesetzentwürfen wird all das nicht erreicht.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Schade!)

Stattdessen soll der Bundestag jetzt selber Baurecht schaffen und beschließen. Der Verkehrsausschuss wird zur Planungsbehörde.

(Beifall des Abg. Dr. Christoph Ploß [CDU/CSU])

Sie setzen damit ein Verfahren wieder ein, das bei den Verkehrsprojekten „Deutsche Einheit“ schon einmal nicht geklappt hat.

(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Nur ganze zwei Projekte sind überhaupt in diesem Gesetzgebungsverfahren durchgeführt worden. Alles andere hat man dann doch wieder auf dem herkömmlichen Wege gemacht. Das ist also kein kluger Weg.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundesländer haben eine Vielzahl von Einwänden vorgebracht, die relativ weitreichend sind. Sie sehen das Gemeinwohlverständnis einseitig ausgelegt. Die Naturschutzverbände, denen eine gerichtliche Prüfung der Gesetze untersagt wird, sehen keine besondere Ausnahmesituation, die eine Beschneidung des Rechtsschutzes für Dritte bei den vorgeschlagenen 12 bis 14 Projekten – inzwischen sind wir ja bei 14 Projekten – rechtfertigen würde. Sie weisen auch darauf hin, dass vor allen Dingen die Planungsbehörden personell und finanziell besser ausgestattet werden müssen, damit die Planungsverfahren beschleunigt werden können.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Reinhold Sendker [CDU/CSU]: Werden sie ja!)

Positiv ist an dem Gesetzentwurf einzig die angestrebte frühe Öffentlichkeitsbeteiligung. Allerdings bleibt sie im Gesetz mehr Absichtserklärung als verbrieftes Recht. Entscheidend wird sein, dass in den vorbereitenden Beteiligungsverfahren nicht nur das Wie eines bereits beschlossenen Verfahrens beraten werden kann, sondern auch bereits das Ob: Ist das eine sinnvolle Maßnahme? Ohne das wird es keine Akzeptanzverbesserung bei den Bürgerinnen und Bürger geben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt zu der eigentlichen Frage: Ist die vorgebliche Klagewut der Verbände überhaupt ein relevantes Problem? Nach Vortrag eines Sachverständigen in der Anhörung hat es zwischen 2008 und 2018, also in zehn Jahren, überhaupt nur sechs Klagen bei Bahn- und fünf Klagen bei Wasserstraßenprojekten gegeben. Das Umweltbundesamt bestätigt, dass nur bei jedem 58. Verfahren mit einer Umweltverträglichkeitsprüfung eine Klage eingereicht wird. Das sind weniger als 2 Prozent aller Verfahren. Dabei sind diese wenigen Klagen auch noch überdurchschnittlich erfolgreich. Fast die Hälfte der Klagen hat vor Gericht Erfolg, im Gegensatz zu anderen Verwaltungsverfahren, wo lediglich 12 Prozent Erfolg beschieden wird. Die hohe Zahl macht deutlich, dass die Klagemöglichkeit für Verbände ein wichtiges Korrektiv für umweltfachlich unzureichende Planungen ist.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Während wir das Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz – wer auch immer sich diesen Namen ausgedacht hat – aus den genannten Gründen ablehnen, sind im Planungsbeschleunigungsgesetz zumindest einzelne sinnvolle Punkte zu nennen. Insbesondere begrüßen wir, dass der Bund in den Ausbau und Unterhalt von Kreuzungen von Bahnstrecken und Straßen einsteigt. Bisher waren die Städte und Gemeinden verantwortlich. In vielen Fällen kam es zu erheblichen Verzögerungen, weil die Städte und Gemeinden die Finanzmittel einfach nicht hatten. Das ist immerhin ein Fortschritt. Dafür: Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Herr Scheuer, Sie sind gerade gelobt worden! Herr Scheuer, da müssen Sie schon mal zuhören!)