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Existenzielle Bedrohungen bekämpfen - echte Sicherheit wächst aus sozialer Stärke

Rede von Jan Köstering,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erst hieß es 2030, dann war in der öffentlichen Debatte immer öfter vom Jahr 2029 die Rede. BND-Chef Jäger warnte anlässlich der öffentlichen Anhörung der Nachrichtendienste, sich nicht in der Gewissheit zu wiegen, ein Angriff käme erst 2029. Jetzt einigt man sich offenbar bereits auf 2028. Während wir Parlamentarier/-innen noch darauf warten, dass das Verteidigungsministerium – quasi als Hüter der sogenannten Parlamentsarmee – uns Abgeordneten Einblicke in den Operationsplan Deutschland gewährt, eskalieren die Vorhersagen.

Wenn wir über die Bedrohungslage in Deutschland sprechen, dann wird diese – nicht erst mit dieser Regierung – auch wesentlich dadurch geprägt, dass hier exklusives Herrschaftswissen entstanden ist, das seltsamerweise jedoch in den Medien rauf und runter gespielt wird, Ängste schürt und Druck erzeugt. Gleichzeitig verwehren Sie der Linken weiterhin einen Platz im Parlamentarischen Kontrollgremium der Geheimdienste.

Werte Kolleginnen und Kollegen, was bezwecken Sie mit den Debatten? Nehmen wir das Beispiel Drohnen. Seit den Sichtungen in Dänemark und in München lassen Sie den Ängsten freien Lauf und das Parlament im Unklaren darüber, was die Regierung genau weiß. Ist es Industriespionage? Ist es Organisierte Kriminalität? Sind es immer staatliche Akteure oder doch bloß kreuzdumme Aktionen von Hobbypiloten? Machen Sie endlich den Rücken gerade, und gestehen Sie ein, wenn Sie den Entsender der Drohnen nicht kennen, statt weiter fleißig auf das Konto der Kriegsangst einzuzahlen!

(Beifall bei der Linken)

Oder aber kommunizieren Sie deutlich, wenn Sie belastbare Erkenntnisse haben!

Aber wissen Sie, was mir angesichts der aktuellen Bedrohungslage für Deutschland wirklich Angst bereitet? Es fängt an mit dem Blick in die kaputtgesparten Strukturen im Rettungsdienst, die morgen hier auch Thema sein werden. Sie wissen schon jetzt nicht, wann und wie und ob überhaupt ein Angriff erfolgt, überbieten sich aber mit schlechten Prognosen und gehen die kritischen und sicherheitsrelevanten Missstände nicht an. Die Mängel im Zivilschutz zum Beispiel – egal ob bei Ausrüstung, rechtlichen Rahmenbedingungen, Unterkünften, Nachwuchsgewinnung oder den Fahrzeugen – beten wir Ihnen seit Jahren vor. Diese Mängel abzustellen, das wären doch die ersten Dinge, die ein echter Gewinn an Sicherheit für die Bevölkerung wären.

(Beifall bei der Linken)

Sie aber ziehen es vor, mit Resilienzforderungen an die Bevölkerung heranzutreten, die unrealistisch sind: Alle sollen mehr arbeiten. Alle sollen länger arbeiten. – Und nach der Arbeit? Da sollen dann alle für den Katastrophenfall vorsorgen und am besten noch zu freiwilligen Zusatzdiensten als Reservisten einrücken. Ihre Kaltschnäuzigkeit und die lebensferne Politik dieser Regierung stellen eine belegbare Bedrohung für die Menschen in diesem Land dar.

(Beifall bei der Linken)

In fast allen Branchen fehlen Fachkräfte, und Sie wollen trotzdem den grenzenlosen Aufwuchs bei der Armee. Polizisten im Grenzschutz bauen Überstunden mit rechtswidrigen Tätigkeiten auf, und Sie kommen mit Zusatzaufgaben bei der Drohnenabwehr. Rettungsdienste, Notaufnahmen und Krankenhäuser sind am Limit, und Sie stimmen auf die Versorgung von Kriegsverletzten ein. Das Ganze toppen Sie mit einer Gesundheitsministerin, die die Leistungen kürzt und die Privatisierung weiter vorantreiben will. Was für ein Wahnsinn, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der Linken)

Gehen Sie hier in Berlin mal auf die Straße, und fragen Sie die Menschen, wovor sie am meisten Angst haben und was sie beschäftigt. Wohnungsverlust oder die Miete nicht mehr zahlen zu können: ganz oben auf der Liste. Ein Kita- oder Schulplatz: ganz oben auf der Liste. Steigende Preise bei stagnierenden Löhnen: ganz oben auf der Liste. Bezahlbare Pflegeplätze, bezahlbare Mobilität: Alles steht derzeit auf der Kippe, alles steht infrage.

Meine Damen und Herren, was nutzt uns ein Operationsplan Deutschland, wenn der Rettungswagen nicht kommt? Was nutzt uns Drohnenabwehr, wenn das Krankenhausbett fehlt? Ein Staat, der diesen Alltag der Menschen, der vor existenziellen Bedrohungen nur so wimmelt, noch weiter verschärft, kommt seiner Schutzpflicht nicht nach.

Gerade jetzt muss es doch unsere Aufgabe sein, gerade mit Blick auf die Bedrohung, die meine demokratischen Vorredner/-innen hier schon aufgezählt haben, doch mindestens einen kühlen Kopf zu bewahren und die Menschen da draußen zu entlasten. Das mag an der außen- und sicherheitspolitischen Bedrohungslage, die ich ja gar nicht bestreite,

(Thomas Erndl [CDU/CSU]: Aha!)

erst einmal wenig ändern. Aber all diese Maßnahmen, die wir hier treffen können, damit die Liste der existenziellen Bedrohungen kürzer wird, mit denen die Menschen dort draußen jede Minute des Tages konfrontiert sind, würde doch dazu beitragen, dass die Gesellschaft resilienter und wehrhafter werden kann.

(Beifall bei der Linken)

Ich komme zum Schluss. Verlieren Sie bei aller Fokussierung auf Drohnen, kritische Infrastruktur und den Operationsplan Deutschland nicht die greifbare Bedrohungslage für Deutschland aus den Augen, die eigentlich das Hauptthema dieser Aktuellen Stunde hätte sein müssen. Die größte Gefahr in Deutschland und für unsere Demokratie sitzt nicht in fremden Hauptstädten: Sie sitzt hier, in diesem Haus, mitten unter uns.

(Markus Frohnmaier [AfD]: Die Antifa-Linke!)

Sie bedroht unsere Freiheit von innen. Und sie steht bei vielen Menschen ebenfalls ganz oben auf der Liste der ganz reellen, ganz alltäglichen Bedrohungen für Leib und Leben.

(Markus Frohnmaier [AfD]: Für Polizisten! Die Antifa-Linke!)

Und genau deshalb gehört die AfD verboten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)