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Zwei-Klassen-Bildung beenden!

Rede von Nicole Gohlke,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gab eine Zeit, da war der Name „Willy Brandt“ mit einem großen politischen Versprechen verbunden: mit dem Versprechen, jedem jungen Menschen zu ermöglichen, die Ausbildung oder das Studium zu ergreifen, für das er oder sie brennt, und das unabhängig vom Elternhaus. Es gab das Versprechen „Aufstieg durch Bildung“. Was das von den politischen Zuständen heute fundamental unterscheidet, ist, dass dieses Versprechen auch eingelöst wurde, zumindest eine Zeitlang. Das BAföG war das Instrument, dieses Versprechen für Millionen junger Menschen wahrzumachen.

Anfang der 70er-Jahre erhielt fast die Hälfte aller Studierenden BAföG, Anfang der 90er-Jahre war es nur noch jeder vierte, und heute bekommt nur noch jeder neunte Studierende BAföG. Die jungen Menschen von heute sind auf sich allein gestellt. Und weil die Regierung die Geburtslotterie über Bildungs- und berufliche Chancen entscheiden lässt, anstatt das als gesellschaftliche Aufgabe und vor allem auch als ihre Aufgabe zu begreifen, entscheidet in Deutschland wieder der Geldbeutel der Eltern über den Bildungsweg der Kinder. Deswegen ist Deutschland Schlusslicht in Sachen Bildungsgerechtigkeit. Dieses bildungspolitische Versagen werden wir Ihnen nicht länger durchgehen lassen.

(Beifall bei der Linken)

Ich will gerne auch noch einmal klarstellen, bevor jetzt wieder irgendein Scherzkeks von rechts auf die Idee kommt, zu behaupten, den Studierenden gehe es noch zu gut: Die Wahrheit ist: 36 Prozent der Studierenden sind armutsgefährdet. Während vor zehn Jahren nur ein Drittel der Studierenden nebenher gearbeitet hat, sind es heute schon zwei Drittel. Sich also auf das Studium konzentrieren zu können und es einigermaßen stringent und schnell und innerhalb der Regelstudienzeit abzuschließen, ist heutzutage ein Luxus, den sich nur noch die jungen Erwachsenen leisten können, die aus einem wohlhabenden Elternhaus kommen.

(Beifall bei der Linken)

Aber was haben die letzten Bundesregierungen gemacht? Anstatt das BAföG zu stärken, haben sie zum Beispiel die Studienkredite gepusht, wie den Studienkredit der KfW, mit dem sie Tausende Studierende in die Verschuldung haben laufen lassen, weil diese – und das bei einer bundeseigenen Bank – auf einmal Zinsen von über 9 Prozent zahlen mussten. Das geht auf die Kappe der Ampel, genauso wie auf die von Schwarz-Rot. Und es ist beschämend, dass Sie daran nichts ändern.

(Beifall bei der Linken)

Kolleginnen und Kollegen, weil es den marktversessenen Parteien in der Regel nicht reicht, wenn man sagt, dass Bildung ein Menschenrecht ist, versuche ich es bei Ihnen noch mal mit einem ökonomischen Argument. Das ifo-Institut, das ja wirklich völlig unverdächtig ist, eine linke Denkfabrik zu sein, hat gerade eine Studie herausgebracht, die anregt, das BAföG deutlich zu verbessern und viel mehr Menschen zukommen zu lassen, um den Rückgang der sozialen Mobilität zu stoppen. Soziale Mobilität – Achtung, liebe Union! – bedeutet Wirtschaftswachstum; denn ohne soziale Mobilität können junge Menschen ihr Potenzial nicht ausschöpfen.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Wir brauchen mehr Handwerker!)

Die Wahrheit ist: Das BAföG in seiner jetzigen Form ist eine Bremse für die Zukunftsfähigkeit des Landes. Also hören Sie auf, die Reform auf die lange Bank zu schieben! Machen Sie eine Reform, die mehr als eine Alibiaktion ist!

(Beifall bei der Linken)

Bedarfsätze, die die echten Kosten decken, und eine Wohnpauschale, die die echte Miete deckt, keine Verschuldung und ein BAföG für alle, die es brauchen: Machen Sie das Land gerecht und zukunftsfähig!

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)