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Ganztag kommt – aber Regierung kümmert sich nicht um Personal

Rede von Nicole Gohlke,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor vier Jahren, im Jahr 2021, hat der Bundestag nach jahrzehntelanger Debatte den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter verabschiedet. Ursprünglich sollte es 2025 damit losgehen. Die Ampelregierung hat den Start dann auf 2026 verschoben. Dann gilt der Rechtsanspruch allerdings nur für die Schülerinnen und Schüler der ersten Klasse, nicht etwa für alle Grundschulkinder. Für sie gilt er erst ab dem Schuljahr 2029/30.

Heute möchte Schwarz-Rot die Fristen verlängern, damit die Kommunen die Gelder des Bundes für die Umsetzung des Ganztags länger abrufen können. Das ist natürlich richtig und notwendig. Aber man muss sich schon mal auf der Zunge zergehen lassen: Wir leben in einem der reichsten Länder der Erde, wollen Werte wie Gleichberechtigung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie leben und müssen im Jahr 2025 darüber reden, ob es im nächsten Jahr eventuell gelingen wird, dass die Erstklässler auch am Nachmittag versorgt sind. Das ist schon wirklich peinlich.

(Beifall bei der Linken)

Kolleginnen und Kollegen, warum ist der Ganztag so wichtig? Es geht darum, dass Eltern, die arbeiten gehen, ihre Kinder gut untergebracht wissen und dass nicht wieder die Frauen und Mütter daheimbleiben und auf eine Arbeit und eine berufliche Verwirklichung verzichten.

(Beifall bei der Linken – Beatrix von Storch [AfD]: Das können auch die Väter sein!)

Es geht beim Ganztag aber auch darum, dass Kinder über den Schulunterricht hinaus und unabhängig von den Möglichkeiten und Voraussetzungen, die ihnen das Elternhaus bietet, Förderung bekommen, soziale Gemeinschaft erfahren und verschiedenste Bildungsangebote wahrnehmen können.

(Beifall bei der Linken)

Deswegen haben wir als Linke immer Ja gesagt zum Ganztagsausbau, zur Ganztagsbetreuung. Sie muss endlich zum pädagogischen Standard werden.

Aber so, wie die letzten Regierungen den Ganztag aufgesetzt haben, ist er wirklich nicht das, was und wie er sein soll. Die Kommunen, die den Ganztag umsetzen sollen, sind oft überlastet, ihnen fehlt immer wieder die Planungssicherheit. Die neuen Räumlichkeiten und die Umbauten, die dafür nötig sind, fallen natürlich nicht vom Himmel. Und was eben auch nicht vom Himmel fällt und was das größte Problem in der Bildung ist, ist der Fachkräftemangel – ein Problem, das Sie aber immer wieder beiseitewischen.

(Beifall bei der Linken)

Wenn es aber zu wenig Erzieherinnen und Erzieher in den Horten gibt, zu wenig Jugendsozialarbeiter/-innen an den Schulen, keine Trainer für die Sport-AGs, keine Lehrkraft für den Theaterkurs, dann klappt es natürlich auch nicht mit einem guten Ganztag, dann brennen die Pädagoginnen und Pädagogen, die da sind, aus, dann leidet die Qualität, dann findet weder gute Bildung statt, noch gibt es ein Umfeld, in dem sich alle Kinder wohlfühlen. Und dass Sie das so lassen, das ist verantwortungslos.

(Beifall bei der Linken)

Bis 2030 werden mehr als 100 000 Lehrkräfte und unzählige Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe fehlen. Viele der in der Ganztagsförderung Beschäftigten sind bereits jetzt völlig am Limit. Die schlechte Raumsituation, der schlechte Personalschlüssel und die andauernde Zeitknappheit, das Gefühl, der Aufgabe und den Kindern nicht gerecht werden zu können, das haben auch Sie als Bundesregierung zu verantworten, weil Sie sich weigern, einen echten Beitrag zur Lösung des Fachkräftemangels zu leisten.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Die Länder könnten aber auch mehr tun!)

Der Kampf gegen die Bildungsungleichheit ist eine der größten Herausforderungen für unsere Gesellschaft. Verstehen Sie endlich, dass es für diese Aufgabe mehr braucht als eine Fristverlängerung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)