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Kein Kniefall in Washington

Rede von Sören Pellmann,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Friedrich Merz reist heute nach Washington – nicht mehr als Oppositionsführer, sondern als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Sehr gut! Bravo! – Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Gut, dass Sie das mal gesagt haben! – Johannes Volkmann [CDU/CSU]: Bravo!)

– Warten Sie es mal ab! – Und er reist in die USA unter Donald Trump, die sich längst vom Bild eines verlässlichen Partners verabschiedet haben, unter einem Präsidenten, der Stahlzölle verdoppelt, die deutsche Innenpolitik kommentiert wie ein rechter Twittertroll und in neoimperialistischer Manier Appetit auf Grönland hat. Besser noch: Die Union will uns weiterhin weismachen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika immer noch der Nabel der Welt seien.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Erzählen uns die aus Moskau!)

Wer aber seine Außen- und Sicherheitspolitik ohne das Verständnis vom Wandel in dieser Welt oder in den USA aufbaut, riskiert unsere Zukunft.

(Beifall bei der Linken)

Aber die Taschen von Kanzler Merz sind ja bei seiner Anreise prall gefüllt: Sie unterstützen Trumps Forderung nach 5 Prozent des BIP fürs Militär, Sie bleiben beim Ukrainekrieg ohne wirkliche Strategie, und Sie schweigen sehr auffällig zu den Angriffen der US-Regierung auf Meinungsfreiheit, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Das geht nicht!

(Beifall bei der Linken – Christian Görke [Die Linke]: Sehr richtig! Ganz meine Meinung!)

Für uns als Linke ist klar: Wer in diesen Zeiten über transatlantische Beziehungen spricht, darf nicht nur in Richtung Aufrüstung nicken. Es braucht klare Worte zu Rüstungskontrolle, ziviler Kooperation und zum Völkerrecht.

(Beifall bei der Linken)

Diese Klarheit vermissen wir aber schmerzlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, und ich fordere Sie daher, Herr Bundeskanzler, auf, bei Ihren Gesprächen mit Donald Trump an eine Tradition anzuknüpfen, an die sich vielleicht einige, aber leider nicht mehr sehr viele hier im Hohen Hause erinnern wollen oder können: die Tradition von Abrüstung, von Rüstungskontrolle und von Rüstungsbegrenzung. Selbst Präsidenten wie Nixon, Reagan und Bush senior – wahrlich nicht die Friedensengel – haben Verträge mit der damaligen Sowjetunion geschlossen: 1972 den ABM-Vertrag, 1987 den INF-Vertrag zu Mittelstreckenraketen oder 1992 den Open-Skies-Vertrag. Diese Abkommen haben das Tor zur Entspannung geöffnet, Vertrauen geschaffen und Konflikte entschärft. Der bessere Weg, wie ich finde.

(Beifall bei der Linken)

Doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Fenster wurde leichtfertig zugeschlagen.

(Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Von Russland!)

Ab Mitte der 90er-Jahre hat die US-Regierung unter Clinton die NATO eben entgegen früherer Zusagen nach Osten erweitert. Später kündigten Bush und Trump die Abrüstungsverträge. Unter Obama und Biden kam es zu keiner Rückkehr zu einer gemeinsamen Sicherheitsarchitektur. Und hier im Bundestag? Hier im Bundestag wird lieber über 5 Prozent für das Militär und die berüchtigte Zeitenwende gesprochen als über aktive Friedenspolitik und diplomatische Initiativen.

(Beifall bei der Linken)

Wenn Aufrüstung Sicherheit bringen würde, müssten wir heute doch das sicherste Land der Welt sein. Seit dem Jahr 2000 ist der Militärhaushalt Deutschlands verdreifacht worden. Laut Friedensinstitut SIPRI geben wir inzwischen mehr Geld für Rüstung aus als Indien, mehr Geld als ein Land, das übrigens 17-mal so viele Einwohnerinnen und Einwohner wie unser Land hat.

(Zuruf von der Linken: Hört! Hört!)

Aber nicht genug: Jetzt will die NATO ganze 5 Prozent des BIP für Waffen, für Aufrüstung, Ausrüstung und Krieg ausgeben. Das ist der totale Wahnsinn. Die NATO-Staaten geben jetzt schon mehr aus als alle anderen Länder der Welt zusammen. Wenn das unser Sicherheitskonzept ist, dann lautet es offenbar: grenzenlos, teuer und gefährlich.

(Beifall bei der Linken)

Was heißt das aber für die Ukraine? Russland führt einen völkerrechtswidrigen Krieg – eine Tragödie für die Menschen, keine Frage. Die Strategie jedoch, Kiew bis zum Sieg zu bewaffnen, ist nach drei Jahren offensichtlich nicht erfolgreich gewesen. Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht.

(Zuruf der Abg. Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und Trump? Trump will am liebsten den Geldhahn zudrehen – oder vielleicht auch nicht; man weiß es bei ihm ja nie so genau. Herr Merz, überzeugen Sie Trump von einem echten Kurswechsel! Machen Sie doch zur Abwechslung das Angebot von Abrüstung und Diplomatie!

(Zuruf von der AfD)

Zum Beispiel Rückzug der russischen Truppen aus Cherson, und der Open-Skies-Vertrag kehrt zurück, Rückzug aus Saporischschja, und die USA treten wieder dem ABM-Vertrag bei, Rückzug aus Luhansk, und es gibt Verhandlungen über einen neuen INF-Vertrag,

(Zurufe der Abg. Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Rückzug aus Donezk, und wir bringen den AKSE-Vertrag zur Begrenzung konventioneller Streitkräfte zurück auf den Tisch. Das wäre ein gangbarer Weg für Frieden, der nicht nur auf Aufrüstung und Waffenlieferungen setzt, sondern auf Verhandlungen, auf Vertrauen und auf das Völkerrecht.

(Beifall bei der Linken – Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Absurd! – Zuruf der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Letzter Satz, Herr Präsident: Herr Merz, machen Sie Abrüstung, Rüstungskontrolle und Rüstungsbegrenzung endlich „Great Again“!

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)