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Haushalt der Hoffnungslosigkeit

Rede von Sören Pellmann,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Friedrich Merz wurde Kanzler mit der Ansage, es besser zu können als Olaf Scholz. In gewisser Weise hat das ja auch geklappt: Gut ein halbes Jahr später sind er und seine schwarz-rote Koalition noch unbeliebter, als es die Ampel damals gewesen ist. Respekt für diese Leistung!

(Beifall bei der Linken)

„Stadtbild“, „kleine Paschas“ und seine Aussagen zu Belém – diese Reihe von Ausfälligkeiten ist ja nicht nur Ausweis von fehlendem Format. Sie sollen ablenken davon, dass er auf fast allen Politikfeldern bisher nicht geliefert hat und versagt hat. Und wer inhaltlich nicht liefert, dem bleibt eben nur die Ablenkung über den Kulturkampf. Rechts außen freut sich; denn genau das ist deren Strategie.

Angetreten ist diese Regierung mit dem vollmundigen Versprechen, den Staat zu reformieren. Bis zum Sommer sollten die Bürgerinnen und Bürger spüren, dass es vorangeht. Ich spüre genauso wie große Teile der Bevölkerung leider davon gar nichts.

Ständig wird uns erklärt: Wir können uns diesen Sozialstaat nicht mehr leisten. Angeblich ufert unser Sozialstaat aus. Und wir hätten kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem.

Beim Bürgergeld wollten Sie Milliardenbeträge einsparen – alles nach Auffassung der Linken politischer Klamauk: Am Ende sparen Sie dort gut 100 Millionen Euro – ganz großes Politkino im Promillebereich. Für dieses politische Prosit ziehen Sie eine ganze Betroffenengruppe, darunter vor allem Aufstocker, Kinder, Menschen, die sich um die Pflege ihrer Angehörigen kümmern, durch den Dreck. Wie gnadenlos billig ist das, bitte schön?

(Beifall bei der Linken)

Sie machen weiter Politik für die Reichen. Hier findet eine massive Umverteilung von unten nach oben statt. Und dieser Haushalt 2026 ist ein wichtiger Baustein bei dieser unsozialen Umverteilung.

Lassen Sie mich diesen Haushalt der Hoffnungslosigkeit auf einen Nenner bringen: Er enthält sagenhaft viel Geld – sagenhaft viel Geld für Panzer und Jagdflugzeuge –, aber wenig – wir sagen: zu wenig – Geld für Familien, deren Kinder zukünftig wieder an genau diesem Kriegsgerät ausgebildet werden sollen. Die Bundesregierung wird mit einem Rekordhaushalt in Höhe von knapp 525 Milliarden Euro nur einen minimalen gesellschaftlichen Effekt erzeugen. Wer am Kern der Krise vorbei investiert, stabilisiert weder die Industrie noch unsere Kommunen, die das so dringend brauchen.

Deswegen sagen wir als Linke: Deutschland braucht jetzt einen Wiederaufbauplan – moderne Infrastruktur, eine gute und pünktliche Deutsche Bahn, starke soziale Sicherungssysteme und Investitionen auch in wirtschaftliche Erneuerung. Das fordert Die Linke.

(Beifall bei der Linken)

Neben all diesen Ausgaben stehen aber auch 180 Milliarden Euro Schulden auf dem Zettel. Defizite sind nicht gottgegeben, und Kreditaufnahme ist gar nichts Verwerfliches. Aber das geliehene Geld sollte in die Zukunft unseres Gemeinwesens investiert werden: in die Infrastruktur, in die Ökonomie, in die Bildung. Das sind die Bereiche, in die wir jetzt und heute investieren müssen, und, ja, gerne auch in die Förderung der Binnenkonjunktur.

(Beifall bei der Linken)

Investitionen in die Rüstung hingegen verpuffen nach unserer Auffassung. Sie vermehren lediglich die Gewinne der Rüstungsindustrie und der entsprechenden Aktionäre. Wenn gerade von einer – ich zitiere – „Friedensangst“ bei den Rüstungskonzernen die Rede ist, dann entwickelt sich das in die falsche Richtung.

Wir alle erinnern uns noch, Herr Merz, als Sie damals als Oppositionsführer hier von diesem Pult aus sprachen. Sie lobpreisten die Schuldenbremse, als Sie den Generalangriff auf die Ampel geprobt hatten. Alles vergessen?

Wir vergessen auch nicht die jahrelangen Folgen der Schuldenbremse für mögliche Investitionen. Durch sie erleiden wir nach wie vor einen riesigen Investitionsstau: bei der Verkehrsinfrastruktur, bei öffentlichen Gebäuden, bei bezahlbaren Wohnungen, bei Sportanlagen und bei Bildungseinrichtungen. Wir als Linke haben das immer klar kritisiert. Diese Schuldenbremse war und ist ein Entwicklungshemmnis.

(Beifall bei der Linken)

Im Frühjahr 2025 ging dann aber alles ganz schnell. Verschuldung für die Aufrüstung wurde zur Pflicht, quasi Dienst für unser Vaterland. Mich verwundert keineswegs, dass die Merz’sche Flexibilität jetzt in einen – nennen wir es mal so – kreativen Einsatz der Mittel aus dem Sondervermögen Infrastruktur mündet. Dabei wären diese Investitionen genau das Richtige. Allein die Kommunen haben einen Investitionsbedarf von 210 Milliarden Euro.

Dem gegenüber stehen, wenn man in den Haushalt schaut, aber lediglich 8,1 Milliarden Euro, die aus dem Sondervermögen an Länder und Kommunen fließen sollen – deutlich zu wenig! Denn man muss sich vorstellen – und der Blick in die Kommunen zeigt, wie die reale Situation aussieht –: Spielplätze können nicht weiterbetrieben und saniert werden, Schwimmbäder schließen, Bibliotheken werden geschlossen, Sportvereine stehen vor einer schwierigen Situation, und, ja, ich kann es Ihnen als Lehrer nicht ersparen: Auch das marode und stinkende Schulklo wird es weiterhin geben. Diese Politik erzeugt Frustration und Hoffnungslosigkeit.

(Beifall bei der Linken)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihre Politik ist auch eine Gefahr für den sozialen Frieden und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ich sage es noch deutlicher: Ihre Haushaltspolitik ist eine Gefahr für unsere Demokratie.

(Beifall bei der Linken)

Es wird investiert, aber eben nicht in die von mir angesprochene Infrastruktur, sondern in die Aufrüstung. „Whatever it takes“, das Credo des Kanzlers, bedeutet für die Aufrüstung – ich nenne ein paar Zahlen –: 100 Milliarden Euro aus dem Scholz’schen Sondervermögen plus 80 Milliarden Euro für Boris Pistorius 2026 on top und dann noch die 400 Milliarden Euro, welche die Bundeswehr als Wunschliste für Rüstungsprojekte zusätzlich auf den Tisch gelegt hat. Das sind goldene Zeiten für die Rüstungsindustrie, und wir werden jeden Preis dafür zahlen müssen.

Herr Merz, Sie als Mann der Wirtschaft, als der Sie immer so auftreten, wollten genau in diesem Bereich nicht kleckern, sondern klotzen. Nach fast sieben Monaten Regierungsverantwortung ist Ihre Bilanz erschreckend: Knapp 10 Prozent unserer Unternehmen sehen laut einer aktuellen Umfrage ihre wirtschaftliche Existenz als akut bedroht an. Das geht nun seit Monaten – man könnte sagen: seit Jahren – so. Die deutsche Wirtschaft hat ein Nachfrageproblem. Erst hat die Ampel über Jahre die Konjunktur ignoriert und der Rezession tatenlos zugesehen. Unter der neuen Regierung wurde es leider nicht besser.

Unseren Vorschlag, Herr Merz, den wir zu Beginn der Wahlperiode gemacht haben, nämlich ein Wohnungsbauprogramm für den sozialen Wohnungsbau aufzulegen, haben Sie nicht ernst genommen. Dann wäre zumindest Ihr Sommermärchen nicht nur ein Märchen geblieben. Dies wäre nicht nur eine sozialpolitisch, sondern auch eine wirtschaftspolitisch wertvolle Maßnahme gewesen.

(Beifall bei der Linken)

Die Realität, wenn man auf die Zahlen der Bundesbank schaut, ist: Im dritten Quartal 2025 sind die Bauinvestitionen weiter gesunken. Die nicht enden wollende Liste unbefriedigender Daten zur Wirtschaftslage lässt nur einen Schluss zu: Es ist Ihnen nicht gelungen, der Wirtschaft einen wirklichen Schub zu geben. Im Gegenteil: Die Konjunktur dümpelt weiter vor sich hin.

Die Chancen für Arbeitslose sind, wenn man sich die Zahlen anschaut, nach wie vor schlecht. Eine Bemerkung in diesem Zusammenhang: Wir haben 7 Millionen Menschen in unserem Land, die Minijobber-/innen sind, die gar nicht auf das Arbeitslosenkonto einzahlen. Deswegen fordern wir als Linke immer wieder, genau diese prekären Beschäftigungsverhältnisse abzuschaffen.

(Beifall bei der Linken)

War noch was? Ach so, ja – die Kolleginnen haben es schon angesprochen –: die Rente. Ich gucke Sie an, Herr Spahn. Das kann ich Ihnen jetzt leider nicht ersparen: Ich erwarte von Ihnen, dass Sie zumindest in diesem Bezug ein loyaler Fraktionsvorsitzender sind,

(Zuruf des Abg. Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU])

dass Sie sich von dem, was Sie mit Ihrem Koalitionspartner zum Rentenpaket besprochen haben, nicht von der eigenen Fraktion abbringen lassen und dass die Mindestsicherung – ein Rentenniveau von 48 Prozent – dann auch kommt.

Noch mal zur Erinnerung – das kann ich auch Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen und der SPD, nicht ersparen –: Die Absenkung des Rentenniveaus von 53 auf 48 Prozent – das haben Sie im Übrigen damals mit der Agenda 2010 beschlossen – hat dazu geführt, dass jeder fünfte Rentner und jede fünfte Rentnerin in diesem Land in Altersarmut leben muss. Die Altersarmut hat sich seit diesem Beschluss mehr als verdoppelt.

(Beifall bei der Linken – Ina Latendorf [Die Linke]: Das ist traurig! Das ist absolut traurig!)

Für die Fraktion Die Linke steht zum Thema Rente deswegen fest: Wir werden keinen weiteren Verschlechterungen im derzeitigen System zustimmen. Die gesetzliche Rente muss sicher sein und für alle zum Leben reichen.

Ich komme zum Schluss. – Herr Merz, was haben Sie zu Ihrem Vorgänger Olaf Scholz an dieser Stelle vor einem Jahr gesagt?

Letzter Satz. – „Sie können es nicht.“ Ich ergänze diesen Satz um genau diesen: Herr Merz, Sie können es auch nicht.

(Beifall bei der Linken)