Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich ausdrücklich bei den Grünen bedanken, dass Sie mit einem Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung in die Debatte eintreten. Das ist nötig, und das ist überfällig.
(Beifall der Abg. Janina Böttger [Die Linke])
Die Missstände sind überdeutlich, und meine Kollegin Stella Merendino hat sie hier schon mehrfach aufgezählt: Personal, für das eine 60-Stunden-Woche mit 12-Stunden-Diensten die Regel und nicht die Ausnahme ist, ein unterfinanzierter Rettungsdienst, der in Brandenburg bereits zu Überlegungen führt, Patientinnen und Patienten die Kosten für den lebensnotwendigen Rettungstransport aufzuerlegen, weil die Krankenkassen nicht mehr genug zahlen, Krankenhäuser, die keine Kommune mehr finanzieren kann und die der Leistungslogik und der Profitmaximierung unterworfen werden, weil sie von gewinnorientierten Betreibern geführt werden. Es nützt auch keinem Menschen ein noch so gut ausgestatteter Rettungswagen, wenn das Krankenhaus 45 Minuten Fahrzeit entfernt ist.
(Beifall bei der Linken)
All das hat Ihnen bereits die Gesundheits- und Krankenpflegerin Stella Merendino erzählt. Jetzt hören Sie es noch einmal von mir – von jemandem, der als aktives Mitglied der freiwilligen Feuerwehr oft genug im Gespräch mit Retterinnen und Rettern genau diese Missstände geschildert bekommt.
Und wie in so vielen Bereichen, in denen die Bundesregierung Reformen ankündigt, fehlt es auch in der Notfallversorgung an einer belastbaren Datenlage. Unsere Kleine Anfrage zur Notfallreform hat gezeigt, dass weder valide Daten zu den Kosten noch zu den Aufnahmequoten oder gar zu den realen Zahlen der Patientinnen- und Patientenkontakte in den Notaufnahmen vorliegen.
Mit Reformen im Blindflug gefährden Sie Patientinnen und Patienten und treiben das Personal weiter in die Überlastung. Dass die Bundesgesundheitsministerin Nina Warken hier Einsparpotenziale sieht und nutzen will, zeugt einmal mehr von Realitätsverweigerung.
(Beifall bei der Linken)
Notaufnahmen und Rettungsdienste müssen ihren Aufgaben gerecht werden. Deshalb fordern wir, egal ob im Rettungsdienst, bei den Feuerwehren oder den Katastrophenschutzorganisationen, eine bedarfsgerechte Ausfinanzierung. Kein Kostendruck durch die Betreiber der Kliniken! Wir fordern bundeseinheitliche, verbindliche Mindeststandards und garantiert gute Arbeitsbedingungen. Überall dort, wo wir diese Ansätze im Entwurf der Grünen wiederfinden, unterstützen wir diese ausdrücklich.
Meine Damen und Herren, leider kann ich angesichts des Gesetzentwurfs der Grünen aber auch keinen Freibrief für den vorliegenden Vorschlag aussprechen. In Bezug auf die Abschnitte „Problem“ und „Lösung“ habe ich eine große Bitte an Sie: Sie schreiben, eine wirtschaftliche Notfall- und Akutversorgung sei ein „zentraler Pfeiler einer leistungsfähigen Gesundheitsversorgung“. Sie schreiben, Sie wollen die Notfallversorgung „effizienter, wirtschaftlicher und zugleich patientenorientierter“ gestalten. Das funktioniert so nicht.
(Dr. Janosch Dahmen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)
Sie können die Notfallversorgung effizient und patientenorientiert gestalten; dann tun Sie das Bestmögliche für die Patientinnen und Patienten. Sie können sie auch effizient und wirtschaftlich gestalten; dann tun Sie das Bestmögliche für die Rechnungshöfe, für die Krankenkassen und für all die, die an diesem System verdienen wollen. Aber wirtschaftlich und patientenorientiert, das ist unvereinbar.
(Beifall bei der Linken)
Das belastet auch all jene, die in der Notfallversorgung eingesetzt sind, Menschen, die Tag und Nacht versuchen, Leben zu retten – mit zu wenig Personal, zu wenig Zeit und zu wenig Mitteln. In der Pflege bedeutet das Leistungsdruck in der Personalplanung und massiven Arbeitsdruck für das eingesetzte Personal.
Meine Damen und Herren, wie viele Berichte aus Notaufnahmen brauchen Sie noch, bis Sie verstehen, dass kein profitgetriebener Ansatz irgendeine Verbesserung bringen wird? Daher mein deutlicher Appell an Sie: Sie sind jetzt wieder in der Opposition. Sie müssen doch das „Whatever it takes“, das der Bundeskanzler für den Rüstungsbereich ausgerufen hat, jetzt erst recht im Bereich der Notfallversorgung einfordern. Runtergehandelt werden Sie ganz automatisch.
(Zuruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wirtschaftlichkeit steht für Profitmaximierung. Öffentliche Daseinsvorsorge darf aber auf keinen Fall darauf ausgerichtet sein.
In Richtung der Bundesregierung sage ich: Sie müssen endlich in der Realität ankommen. Es kann und darf nicht sein, dass Sie Kriegspläne schmieden und die Folgen arglos ins föderalistische System delegieren. Das droht den Notaufnahmen und Krankenhäusern, die Sie doch eigentlich in der Fläche brauchen und ertüchtigen müssen,
(Zuruf der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
gerade dann, wenn Sie von einer reellen Bedrohung und einem notwendig werdenden Zivilschutz ausgehen. Wenn Sie Kriegsängste schüren und grenzenlos aufrüsten, dann müssen Sie doch auch einkalkulieren, dass die eigenen Szenarien eintreten können. Wie aber wollen Sie die Menschen in der Krise schützen, wenn Sie schon den Grundbetrieb unterfinanzieren und auf Kante nähen, wo immer es geht? Das passt einfach nicht zusammen.
(Beifall bei der Linken)
Schon jetzt ist die Bundeswehr unterwegs, spricht mit den Krankenhausleitungen und kündigt an, dass zusätzliche Belastungen auf die Notfallversorgung zukommen, wenn sich die Armee aus Bundeswehrkrankenhäusern, aus den Anteilen an der Notfallversorgung und aus der Versorgung der Soldatinnen und Soldaten zurückzieht. Dann wird es auch im Rettungsdienst schwierig. „Die Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. und der Malteser Hilfsdienst e. V. sind zur Unterstützung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr ermächtigt.“ So steht es im DRK-Gesetz. Wie aber Malteser und Johanniter diese Lücken füllen sollen, wo sie doch jetzt schon Teil der kaputtgesparten Notfallversorgung sind, das erklärt uns bislang niemand.
Wir brauchen zu dieser Reform Bund-Länder-Gespräche zur Notfallversorgung, in denen der Rettungsdienst, die Krankenhäuser und der Katastrophenschutz endlich zusammen betrachtet werden. Es ist längst klar: Jede zusätzliche Belastung in diesem Bereich bringt das System schneller zum Kollaps, als es Drohnen oder fremde Kriegsherren je könnten.
(Beifall bei der Linken)
Die Bedrohungslage, über die wir hier gestern in der Aktuellen Stunde gesprochen haben, geht auch wesentlich von einer Bundesregierung aus, die überall sparen will, außer bei Waffen und Rüstung. Mit Sparmaßnahmen verleugnen Sie Ihre Verantwortung, die Daseinsvorsorge zu gewährleisten und für die Menschen einzutreten.
Meine Damen und Herren, bitte streichen Sie die Wirtschaftlichkeitserwägung bei der Notfallversorgung und überall dort, wo es um Not, Rettung oder Schutz geht! Zur Daseinsvorsorge wurden Staaten gegründet. Dafür werden Steuern erhoben. Jeder Sparkurs gefährdet unser aller Zusammenleben. Nicht für Waffen, nicht für Profit, sondern für die Menschen!
Vielen Dank.
(Beifall bei der Linken)