Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren der demokratischen Fraktionen! Gewalt gegen Polizeibeamte ist grundsätzlich abzulehnen, genauso wie Gewalt gegen Beschäftigte der Feuerwehren und der Rettungsdienste. Und ja, das letzte BKA-Lagebild zeigt, dass die Zahlen zum Teil steigen – merkwürdigerweise parallel zu den Verschärfungen im Strafgesetzbuch, die genau diese Berufsgruppen doch besser schützen sollten. Die Verschärfungen sind also weder wirksam noch hilfreich, um echten Schutz zu gewährleisten.
(Beifall bei der Linken)
Im Koalitionsvertrag fällt der Bundesregierung jedoch nichts anderes ein, als erneut Verschärfungen anzukündigen. Glauben Sie ernsthaft, dass die Gewalt dadurch ein für alle Mal beendet wird? Höhere Strafen, Repressionen, die Ausweitung von Befugnissen und die immer weitere Vorverlagerung polizeilichen Handelns sind keine Lösungen.
Meine Damen und Herren, die jahrzehntelange konservative Linie in der Sicherheitspolitik wird keine Abhilfe schaffen. Doch wie treten wir Gewalt und gesellschaftlicher Verrohung wirksam entgegen? Als Linke versuchen wir, deutlich zu machen: Zur Kriminalitäts- und Gewaltbekämpfung müssen wir die Ursachen in den Blick nehmen. Was hat die Gewaltbereitschaft mit einer Ideologie der Ungleichwertigkeit von Menschen zu tun, die zunehmend um sich greift? Wo ist der Zusammenhang zu autoritärer Haltung, die das Recht des Stärkeren über das Recht des Gesetzes stellt? Was haben reaktionäre Männlichkeitsvorstellungen oder übermäßiger Alkoholkonsum mit Gewalt zu tun? Hier sei als Beispiel mal darauf hingewiesen, dass 54 Prozent der tätlichen Angriffe auf Einsatzkräfte unter Alkoholeinfluss geschehen und 12 Prozent unter Einfluss anderer Drogen. Was haben die Verelendung, Prekarisierung und Perspektivlosigkeit gerade unter Jugendlichen mit einer höheren Gewaltbereitschaft zu tun? Was haben die tödlichen Polizeischüsse wie im Fall von Lorenz in Oldenburg oder Mouhamed Dramé in Dortmund mit erhöhtem Misstrauen zu tun? Das sind die Fragen, die wir beantworten müssen,
(Beifall bei der Linken – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Unfassbar!)
Fragen und Ursachen, die die gesellschaftspolitischen Probleme betreffen, Fragen und Ursachen, die eine autoritäre Vorstellung von Sicherheit betreffen.
Härtere Gesetze und mehr Befugnisse werden diese Probleme nicht lösen. Gewalt, die Ausdruck von gesellschaftlicher Desintegration und Verhärtung ist, kann nur mit einer solidarischen Politik begegnet werden. Wir brauchen eine Ausweitung der Sozialarbeit und Prävention, echte Umverteilung und eine stark aufgestellte öffentliche Daseinsvorsorge.
(Beifall bei der Linken)
Meine Damen und Herren, Rechtsstaat und Grundrechte zu schützen, bedeutet, Transparenz und Kontrolle von Sicherheitsbehörden zu ermöglichen. Das langfristige Ziel muss die Demokratisierung der Polizei und der Polizeiarbeit sein. Eine Untersuchung der Universität Bochum zur Polizeigewalt hat gezeigt, dass ein Großteil der Ermittlungen gegen Polizeibeamte wieder eingestellt wird. Nur 9 Prozent der Opfer von Polizeigewalt zeigen diese überhaupt an. Wie viel mehr braucht es denn, um zu zeigen, wie gering das Vertrauen ist?
(Beifall bei der Linken)
Wir brauchen unabhängige Beschwerdestellen mit eigenen Ermittlungsbefugnissen. Wir brauchen eine individuelle Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte. Anstatt gewaltfähiger zu werden, wie es beispielsweise die Polizei Nordrhein-Westfalen als Leitlinie formuliert, muss Deeskalation die Leitlinie sein. Wozu Gewaltfähigkeit als Credo in der Realität führt, sehen wir doch an den tödlichen Schüssen auf Lorenz und Mouhamed. Beide müssten heute noch am Leben sein.
(Beifall bei der Linken)
Jeder Fall von rein zufällig ausgeschalteten Bodycams, jeder Fall von rechtsextremen Chatgruppen in der Polizei sät Misstrauen und beschädigt darüber hinaus das Ansehen der Einsatzkräfte weit über die Grenzen der jeweiligen Blaulichtorganisation hinaus.
(Wilhelm Gebhard [CDU/CSU]: Thema verfehlt!)
Wenn es um Gewalt gegen Einsatzkräfte und die sogenannte Blaulichtfamilie geht, dürfen wir einen Aspekt nicht vergessen: Nicht alle Menschen erleben insbesondere die Vertreterinnen und Vertreter der Polizei gleichermaßen hilfsbereit und neutral, wie es ihr Amt eigentlich erfordert.
(Beifall bei der Linken – Siegfried Walch [CDU/CSU]: Wahnsinn!)
Und dann gibt es mitunter Innenminister, die bestreiten, dass Racial Profiling praktiziert wird, obwohl das Gegenteil offensichtlich und nachgewiesen ist.
(Martin Hess [AfD]: Das gibt’s doch gar nicht! Von wem denn? Von Ihren Pseudoexperten vielleicht! Aber das hat doch nichts mit der Realität zu tun! Es gibt kein Racial Profiling bei der Polizei!)
Das rechtfertigt keine Gewalt gegen Sicherheitskräfte, erklärt aber mindestens das Misstrauen.
(Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich, was Sie da sagen! Das entlarvt Sie!)
Wie wäre es also stattdessen damit, statt immer neue Straftatbestände zu schaffen, den Kontakt zur Bevölkerung, insbesondere in den vermeintlichen Brennpunkten, zu suchen? Wie wäre es also damit, die Ursachen der Kriminalität zu bekämpfen statt nur die Symptome? Wie wäre es also damit, statt immer gewaltfähiger zu werden, endlich deeskalationsfähig zu werden?
Vielen Dank.
(Beifall bei der Linken – Martin Hess [AfD]: Meine Herren! Wir haben es mit der Deeskalationsfähigkeit übertrieben die letzten Jahre! Deswegen stehen wir da, wo wir jetzt sind! Mann, Mann, Mann!)