Gregor Gysi und Oskar Lafontaine stellten am 7. September 2005 in Köln jene Projekte vor, die die Fraktion der Linkspartei in den ersten 100 Tagen vorrangig in Angriff nehmen wird.
Noch 11 Tage, dann wird es wieder eine starke linke Fraktion im Deutschen Bundestag geben. Mit der Linkspartei wird nach drei Jahren wieder eine Fraktion für soziale Gerechtigkeit, konsequente Friedenspolitik und einen Neuansatz in Ostdeutschland stehen. Vom ersten Tag an werden wir konkrete, realistische Alternativen zur Gestaltung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vorlegen.Das Programm für die ersten 100 Tage der linken Fraktion im Deutschen Bundestag:
1. Weg mit Hartz IV
Eine der ersten Initiativen der Fraktion wird ein Gesetzentwurf zur Änderung der Hartz-IV-Gesetze sein: - Anhebung des Arbeitslosengeldes II auf 420 Euro in Ost und West (zuzüglich Kosten der Unterkunft - Höhere Freibeträge für Ersparnisse, vor allem zur Alterssicherung - Eine deutliche Verbesserung der Zuverdienstmöglichkeiten - Keine Anrechung des Kindergeldes bei Bezieherinnen und Beziehern von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe - Gewährung des Krankenversicherungsschutzes für alle - Beendigung der Enteignung älterer Arbeitsloser durch Verlängerung der ALG I-Bezugsdauer.
Unsere längerfristige Alternative ist die Umwandlung der Ein-Euro-Jobs in reguläre Jobs durch Einsatz der Mittel des ALG II, der Kosten für Unterkunft und der sog. Mehraufwandsentschädigung.
2. Sofortige Beendigung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr
Die Kampftruppen der Bundeswehr müssen aus Afghanistan unverzüglich zurückgezogen werden. Wir werden später beantragen, alle Bundeswehreinsätze im Rahmen von „Enduring Freedom“ zu beenden und die frei werdenden Mittel für Demokratisierung und Entwicklung in Afghanistan einzusetzen, denn: Der Kampf gegen den Terrorismus lässt sich gewinnen, der Krieg gegen den Terrorismus nicht.
3. Mindestlohn einführen
Unser Ziel ist die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. Insbesondere die Geringqualifizierten in unteren Lohngruppen bzw. am Rande der Schattenwirtschaft sollen erreicht werden. Arbeit muss existenzsichernd und zugleich für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber attraktiv sein. Wer nur das gesetzliche Minimum verdient, soll von Sozialabgaben freigestellt sein. Dazu werden wir mit Anhörungen und Gutachten zur Vorbereitung dieser Gesetzgebungsinitiativen beginnen. Gegebenenfalls werden wir Unterstützungen begehren, damit auch kleinere Unternehmen Mindestlöhne zahlen können.
4. Mehr direkte Demokratie
Wir werden einen Gesetzentwurf in Auftrag geben, der regeln soll, dass in Zukunft in Verbindung mit Bundestagswahlen eine Abstimmung über Sachfragen erfolgt. Jede Bundestagsfraktion soll den Wahlberechtigten eine Frage vorlegen können, nachdem das Bundesverfassungsgericht zuvor festgestellt hat, dass sowohl ein zustimmendes als auch ein ablehnendes Ergebnis verfassungskonform wäre. Dies erweiterte nicht nur die Entscheidungsbefugnisse der Wahlberechtigten, sondern veränderte auch den Charakter des Wahlkampfs.
5. Beseitigung von Kinderarmut als ersten Schritt zur Sozialen Grundsicherung
Es ist ein Skandal, dass in unserem reichen Land über 1,7 Mio. Kinder in Armut leben. Deshalb werden wir als ersten Schritt hin zu einer bedarfsorientierten Grundsicherung vorschlagen, die Anrechnung des Kindergelds auf das ALG II und das Sozialgeld zu beenden.
6. Für einen Neuansatz in Ostdeutschland - Fahrplan zur Angleichung der Lebensverhältnisse
Die Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a GG und die EU-Wirtschaftsfördermittel sollen auf Innovationsförderung und Förderung strukturschwacher Regionen ausgerichtet werden. Wir streben einen Fahrplan zur Gleichbehandlung an, ob bei der Rente, bei Löhnen oder Sozialleistungen. Als erstes werden wir neben der Angleichung der ALG-II-Sätze in Ost und West die Wiedereinsetzung des 2002 abgeschafften Parlamentsausschusses Neue Länder als Ausschuss Neue Länder und regionale Strukturpolitik beantragen.
7. Steuergerechtigkeit
Statt einer binnenkonjunkturfeindlichen Mehrwertsteuererhöhung legen wir einen Antrag auf Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von 7% auch beim Handwerk und bei apothekenpflichtigen Arzneimitteln vor und erarbeiten darüber hinaus einen Gesetzentwurf zur Erhebung einer Vermögenssteuer.
8. Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe
Wir werden einen Gesetzentwurf zur Förderung der Berufsausbildung einbringen: 200.000 Jugendliche können im nächsten Ausbildungsjahr wiederum nicht vermittelt werden. Alle Versprechungen von Rot-Grün verwehtem im Winde. Wir sagen: Wer nicht ausbildet muss zahlen - wer ausbildet, muss unterstützt werden.
9. Bildung - Sicherung gleicher Qualitätsstandards
Immer häufiger müssen Familien das Bundesland wechseln, um einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können. Das ist nur zu verantworten, wenn Kinder auf ähnliche Bedingungen im Bildungsbereich stoßen. Um Benachteiligungen zu verhindern, werden wir eine Initiative zur Sicherung gleicher Qualitätsstandards für Schulbildung in ganz Deutschland ergreifen.